Den französischen Käse vermisst

 

"Ich werde Deutschland vermissen", ist Lisa Peinaud überzeugt. Nicht nur Schnee, Weihnachtsmärkte und die tolle Atmosphäre im Winter, sondern auch "Rotkohl und Knödel", berichtet die junge Französin, die nach zweijährigem Aufenthalt in Deutschland wieder zurück in ihre Heimat geht. Ihren 24. Geburtstag feiert Lisa Peinaud am Samstag in ihrer Heimatstadt Noisy-Le-Sec in der Nähe von Paris. Der Abschied von der Haigerer Johann-Textor-Schule fiel äußerst emotional aus – hier hat die Sprachexpertin ganz sicher eine "zweite Heimat" gefunden.

Schulleiter Dr. Gerald Lohwasser und Französisch-Lehrer Ralf Kaczerowski verabschieden Lisa PeinaudLisa Peinaud unterrichtete an der Textor-Schule Französisch und fühlte sich sehr wohl Seit dem vergangenen Jahr half sie als Fremdsprachenassistentin den Siebtklässlern der Textor-Schule beim Erlernen ihrer schönen "Muttersprache". Wobei der Begriff "Muttersprache" in diesem Falle irreführend ist, denn Lisa Peinauds Mama stammt aus Siegen, wo die 23-Jährige auch geborenwurde. "Wir sind allerdings kurz nach meiner Geburt in die Heimat meines Vaters gezogen", erklärt die charmante Französin.

So wuchs Lisa Peinaud zweisprachig auf, wovon auch die JTS-Schüler im vergangenen Jahr profitierten. Am Mittwoch wurde die junge Frau offiziell seitens der Schulleitung verabschiedet. "Mit Lisa Peinaud hat die Schule ein ausgesprochenes Glück gehabt. Sie kam außerordentlich gut mit Lehrern und Schülern aus", bescheinigte ihr Direktor Dr. Gerald Lohwasser in einer kurzen Ansprache. Auch Französischlehrer Ralf Kaczerowski bestätigte, dass die junge Französin den Schülern sehr beim Erlernen der französischen Sprache und besonders bei der Aussprache weitergeholfen habe.

Die Mädchen und Jungen zeigten mit einem großen Blumenstrauß und anderen Überraschungen, wie beliebt die junge Französin bei ihnen war. Die pädagogische Leiterin Anette Fritsch, in deren Unterricht Mme Peinaud unter anderem mithalf, konnte krankheitsbedingt nicht an der Verabschiedung teilnehmen, lobte aber die "hohe Sprachkompetenz" der jungen Kollegin, die hervorragend in das Textorteam integriert war.

Lisa Peinaud hatte bereits zwei Jahre in Paris studiert, als sie sich entschloss, für ein Jahr nach Deutschland zu gehen und hier ihr Bachelorstudium zu beenden. In Halle gab es die Möglichkeit eines Doppelstudiengangs, so dass sie die Fächer Deutsch und Französisch mit einem Bachelor-Titel abschließen konnte. "Danach hatte ich das Bedürfnis, mal praktisch in den Lehrerberuf hinein zu schnuppern. Ich wollte einfach sehen, ob ich mich wirklich für diesen Beruf eigne", erklärt Lisa Peinaud. Und nun sei sich ganz sicher, dass sie ihr Studium fortsetzen wolle.

Seit November letzten Jahres lebt sie in einer Wohngemeinschaft in Siegen. Hier fühlte sie sich "superwohl", sagt sie. Da sie ja Deutschland schon vorher gekannt habe, habe sie "keinen Kulturschock erlitten". Aber die beiden Winter, die beide extrem kalt und schneereich waren, haben ihr enorm zugesetzt. "Minus 20 Grad, das ist schon schwer zu verkraften", gesteht die Französin. Dadurch habe allerdings die Vorweihnachtszeit eine besondere Atmosphäre gehabt. "Die Weihnachtsmärkte, der Schnee und die Lichter in jedem Fenster – das gibt es in dieser Art in Frankreich nicht", schwärmt Lisa von der gemütlichen deutschen Vorweihnachtszeit. In Paris sei lediglich die Champs Èlysées in ein Lichtermeer getaucht, sonst sei keine weitere Weihnachtsbeleuchtung vorhanden. Gut geschmeckt hat ihr das deutsche Essen. Sie liebt Rotkohl und Knödel. "Aber den französischen Käse habe ich sehr vermisst. Keiner hier stinkt so wie der in Frankreich. Und stinken muss er, dann ist er gut."

06-03aDie Schüler der siebten Klassen, die bei Lisa Peinaud (Bildmitte) Unterricht hatten, bedankten sich mit einem Blumenstrauß und einigen Überraschungen für die schöne gemeinsame Zeit.

Der Einblick in das deutsche Schulsystem war für sie außerordentlich interessant. "Hier gibt es oft ein richtiges Vertrauensverhältnis zwischen Lehrer und Schüler. Das ist in Frankreich undenkbar", erläutert sie. Niemals hätten französische Schüler einer Lehrkraft Blumen oder gar Geschenke mitgebracht. Dafür sei in Frankreich zu viel Distanz zwischen Lehrern und Schüler. "Man ist da viel zurückhaltender in Frankreich", meint sie. Diese enge Verbindung sei super, sagt die angehende Pädagogin und zeigt gleichzeitig auch die Schattenseiten auf: die manchmal mangelnde Disziplin. Am liebsten würde sie "aus beiden Systemen das Beste zum Wohle der Schüler miteinander verbinden". Nachdemsie sich in den nun kommenden Semesterferien erst einmal etwas Geld verdienen will, wird sie im September in Paris das Masterstudium beginnen.

(Mit freundlicher Genehmigung des Haigerer Kuriers, 03.06.2011, Text und Fotos: Ute Jung.)