"Fast kein Auge zugemacht"

Haiger, 24.11.2011
"Ich hab fast kein Auge zugemacht", klagt das junge Mädchen. Schuld ist nicht der Disco-Besuch oder die vergessene Hausaufgabe. Nein - der Teenager hatte ein Baby zu beaufsichtigen und damit alle Hände voll zu tun. Zehn Mädchen aus der Dienstagsgruppe der Haigerer Stadtjugendpflege und der Sozialarbeit an der Johann-Textor-Schule nahmen jetzt an einem Projekt mit Babysimulatoren teil.

Die Ergebnisse waren beeindruckend. "Mein Baby hat heute Nacht mindestens eine halbe Stunde am Stück getrunken und Bäuerchen gemacht, ich konnte kaum schlafen", berichteten die Mädchen. Das Angebot wurde von Sozialarbeiterin Eva Sträßer geleitet und begleitet, die für die Schwangerenberatung beim Caritasverband in der Zweigstelle Dillenburg tätig ist.

Bevor die Mädchen die Babys mit nach Hause nehmen durften, wurde in der Mädchengruppe die Idee des Projektes vermittelt. Behandelt wurden wichtige Themen zu den Vorgängen im weiblichen Körper, und die Mädchen konnten Fragen stellen.

In dem "Simulatorenprojekt" soll vermittelt werden, dass ein Baby das Leben verändert. Von Mittwoch bis Freitag hatten die Mädchen die Möglichkeit, einen mikrochip-gesteuerten Säugling zwei Tage und zwei Nächte zu versorgen. Mit unterschiedlichen Schreien fordert das Neugeborene Füttern, Windelwechsel, Aufstoßen lassen und ein beruhigendes "Schunkeln".

Die Haigerer Mädchen mit ihren 'Babys' - Mama sein kann ganz schön anstrengend sein."Die Puppen sind so programmiert, dass sie nur auf 'ihre Eltern' reagieren. Die meisten Mädchen betreuten die Babys paarweise, damit es für sie nicht zu anstrengend wird und sie sich gegenseitig austauschen können", berichtet Eva Sträßer. Während der Schulzeit wurden die Babys so programmiert, dass sie nicht versorgt werden mussten, doch sofort nach der Heimkehr nach Hause begann der Stress für die Teilnehmerinnen. Die Säuglinge meldeten Tag und Nacht ihre Bedürfnisse an und durften wie ein echtes Baby nicht alleine gelassen werden. Vernachlässigung, grobe Behandlung und Misshandlungen zeichnete der Computer auf.

Obwohl alle Mädchen am Abgabetag der Babys müde und erschöpft waren, konnten sie sich nur schwer von ihren Schützlingen trennen: "Der kleine Kaan gehört irgendwie zu unserer Familie, es ist ganz komisch, wenn ich heute Mittag nach Hause komme und er nicht mehr da ist", meinte ein Teenager.

Die gesammelten Erfahrungen wurden am Dienstag in der Mädchengruppe besprochen. Alle Teilnehmerinnen bekamen eine Auswertung und wurden "für ihre Beteiligung, ihren Mut, ihr Durchhaltevermögen und ihre Disziplin" gelobt. "Alle Mädchen haben das Projekt bis zum Schluss durchgezogen und nicht aufgegeben", zeigten sich Eva Sträßer und Angela Schlösser von der Stadtjugendpflege Haiger begeistert.


(Mit freundlicher Genehmigung des Haigerer Kuriers, 24.11.2011, Text und Foto: fra.)