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Jugendliche im Dialog mit Ex-Häftling

Haiger 08.03.2023

Gefangene helfen Jungendlichen„Wofür haben Sie im Gefängnis gesessen?“ oder „Darf man im Knast sein Handy benutzen?“, waren nur zwei der Fragen, die an diesem Mittwoch in der Aula der JTS gestellt wurden. Die Gelegenheit, darüber mit einem ehemaligen Straftäter ins Gespräch zu kommen, hatten die Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 7 und 8, da Dirk Mischgehl vom Verein "Gefangene helfen Jugendlichen" (GhJ) zu Gast war.

Ziel seiner Arbeit ist es, durch die offene Schilderung seiner kriminellen Laufbahn und seiner Erfahrungen im Gefängnis, Jugendliche für die Folgen von Gewalt und Straftaten zu sensibilisieren. „Präventionsarbeit ist sinnvoller als Behandlung. Wir setzen bei Jugendlichen an, da man ihre Wege noch beeinflussen kann. Infos statt Appelle sollen dabei helfen, schlaue Entscheidungen im Leben zu treffen“, erklärte Mischgehl auf die Frage, was ihn dazu bringt, vor Schülerinnen und Schülern zu sprechen.

Begonnen hat alles in seiner Kindheit. Da zuhause oft schwierige Verhältnisse herrschten, verbrachte er viel Zeit auf einem Spielplatz, wo er in Kontakt mit Rockern kam. „Ich hatte keine Lust mehr Angst zu haben und ein Opfer zu sein. Ich wollte so stark sein wie diese Jungs“, erklärt er seine Motivation, sich den „Easy Riders“ anzuschließen. So begann er dann auch, andere Kinder zu verprügeln und zu unterdrücken.

Da Lebensmittel zuhause oft knapp waren, begann er früh damit, an Milchwagen und in Gärten zu klauen. Mit elf Jahren kam er zum ersten Mal in Kontakt mit Drogen in Form von Tabletten: „Sie halfen mir, die Angst und den Stress zu unterdrücken“, erzählt der heute 56jährige. Mit 13 begann er, regelmäßig zu kiffen und es dauerte nicht lange, bis der Lebensgefährte seiner Mutter ihn dazu brachte, selbst mit Drogen zu handeln. Was mit Geschäften auf dem Schulhof begann, wandelte sich später zum Handel mit Heroin, Kokain und Amphetaminen. Mit 17 hat er sich zum ersten Mal selbst Heroin gespritzt.

Neben seiner kriminellen Laufbahn versuchte er sich auch an einer Berufsausbildung im Bereich Metallverarbeitung, die ihn jedoch schnell an seine Grenzen brachte. Stattdessen wurde er Präsident eines Motorradclubs, ging weiter seinen Drogengeschäften nach und raubte Firmen aus. Das Geld, was er damit verdiente, reichte aus, um einen Spitzenanwalt zu finanzieren, der ihm half, vor Gericht immer wieder mit Geld- und Bewährungsstrafen davonzukommen. Er erlebt mit, wie in seinem Umfeld viele Menschen an Drogen zugrunde gingen. Er selbst wachte mehrfach nach einer Überdosis im Krankenhaus auf, erlitt sogar einen Herzinfarkt und entging nur knapp dem Tod, als er in ein künstliches Koma versetzt wurde. Die Ärzte hatten ihn zu diesem Zeitpunkt schon aufgegeben.

Gefangene helfen Jungendlichen2011 wurde er wegen bewaffnetem Drogenhandel zu acht Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis lernte er dann einen Anstaltspfarrer kennen: „Dieser Mann hat genau die richtigen Fragen gestellt, die mich zum Nachdenken gebracht haben“, schildert Mischgehl. Er fragte sich, ob er wirklich das Opfer war, als das er sich in all den Jahren immer gesehen hatte oder ob er nicht vielmehr der Täter war, der durch Drogenhandel und Gewalt Menschen Leid zugefügt hat. „Da hat bei mir ein wirkliches Umdenken eingesetzt, ich bin aus meiner Komfortzone herausgekommen und habe die Dinge anders gesehen“, schilderte er seine Erfahrungen.

Verstärkt wurde das Ganze noch, als auch sein Sohn hinter Gittern landete. Als er dann bei seiner Haftentlassung wegen guter Führung nach fünfeinhalb Jahren gefragt wurde, ob er sich vorstellen könnte, Präventionsarbeit zu leisten, hat er zunächst gezögert, sich aber dann doch darauf eingelassen. „Das war eine gute Entscheidung“, blickt Mischgehl zurück.

Im weiteren Verlauf seines Vortrages berichtete er dann ausführlich über den Alltag und die Lebensbedingungen im Gefängnis und was eine Haftstrafe für die eigenen sozialen Beziehungen bedeutet. Die Textorianer erfahren, dass sich viele Menschen dann von einem abwenden und was für eine Belastung ein Gefängnisbesuch für Angehörige ist. Während „Jumbo“ davon spricht, ist es still in der Aula der Johann-Textor-Schule. Die Nachdenklichkeit über das, was sie an diesem Vormittag gehört haben, steht vielen Schülerinnen und Schülern ins Gesicht geschrieben.

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