Haiger, 11.07.2023
Geschichtsunterricht einmal anders erlebten die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 9 und 10 der JTS. Der Schauspieler Tino Leo nahm sie mit auf eine Zeitreise durch 40 Jahre deutsche Geschichte, vom Wiener Kongress über den Vormärz bis zum Scheitern der Revolution von 1848/49. Der Clou bei dem 45minütigen Theaterstück „Einigkeit und Recht und Freiheit“: Tino Leo spielt alle zehn Rollen selbst.
Hauptfigur ist der Freiheitskämpfer Adam von Itzstein, ein Jakobiner, der die Mainzer Republik und das Hambacher Fest 1832 erlebt hat und für Freiheit und Demokratie gekämpft hat. Wegen Hochverrats auf der Flucht nimmt der ehemalige Abgeordnete des Paulskirchenparlaments die Zuschauer mit auf eine Zeitreise, bei der die Ereignisse aus der Retrospektive erzählt werden.
So begegneten die Textorianer dem arroganten Fürsten von Metternich, dem es beim Wiener Kongress um die Wiederherstellung der alten Ordnung geht und der lieber teuren Riesling schlürft und Wiener Walzer tanzt, anstatt sich mit den lästigen Forderungen nach Freiheit, Mitbestimmung und einem deutschen Staat zu beschäftigen. Sie erlebten einen verzweifelten Fabrikarbeiter, der 18 Stunden täglich hart schuftet und trotzdem nicht weiß, wie er seine Familie ernähren soll und dann einen verzweifelten Gottlieb Biedermeier, dem der Fortschritt in Politik und Industrialisierung viel zu schnell geht und der einfach nur seine Ruhe haben will. Als einfacher Mann, der nun wählen durfte, fragte sich Leo, warum denn nur Akademiker und kaum Bauern oder Handwerker für das Parlament kandidierten.
Die Schülerinnen und Schüler wurden Augenzeugen des Streits in der Paulskirchenversammlung, welche Staatsform denn nun die Richtige sei, eine Republik oder eine konstitutionelle Monarchie und ob die großdeutsche oder kleindeutsche Lösung denn nun besser sei. Sie erlebten den wütenden Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV., der die „Krone aus Schmutz“ aus den Händen des Volkes vom Tisch fegte und glaubte, gegen Demokraten helfen nur Soldaten. Sie sahen einen Freiheitskämpfer, der während der Barrikadenkämpfe tödlich verwundet zusammensackte und mussten mit ansehen, wie im Juli 1849 unter lautem Gesang von Preußens Gloria die Fahne der Revolutionäre von der siegreichen Obrigkeit niedergetrampelt wurde. Am Ende erlebten sie einen traurigen von Itzstein, der die schwarz-rot-goldene Flagge wie ein Kind im Arm hält und resümiert, dass das, was dort begonnen habe nun nicht mehr aufzuhalten sei und man noch in über 100 Jahren von diesen Ereignissen sprechen werde.
Entstanden ist das Stück u.a. im Auftrag der Landeszentralen für politische Bildung in Hessen und Rheinland-Pfalz und gefördert wird es u.a. von der Hessischen Landesregierung und dem Landtag Rheinland-Pfalz. Es wurde bereits bekannten Politikern wie dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und dem Hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein vorgeführt. Mehr als 200 Schulen haben sich dieses Jahr bereits beworben und die Johann-Textor-Schule hatte das Glück, einen Aufführungstermin zu bekommen.
„Ich finde es wichtig, damit in die Schulen zu gehen. Die Jugendlichen sollen verstehen, dass Demokratie etwas sehr Wertvolles ist, für das es sich einzusetzen lohnt“, erklärt Leo, der neben seiner Tätigkeit als Schauspieler auch Theaterautor, Coach und Schulleiter der Schauspielschule Mainz ist. Er bezeichnet sich selbst als „Histotainer“, also jemanden, der Geschichte mit Unterhaltung verbindet und so dem Publikum historische und politische Themen unterhaltsam näherbringen will.
Bei der Vorstellung in der Haigerer Schule ist dieses Konzept ein voller Erfolg. Am Ende der Vorstellung klatschen die Textorianer tosenden Beifall. In der anschließenden Fragerunde kommt schnell die Frage, wie man so weit wie Tino Leo kommen kann.