"Dieser Weg wird kein leichter sein. Dieser Weg ist steinig und schwer", sang die Klasse 10R2 unter der Leitung von Peter Moulding. Doch Bangemachen galt nicht - die engagierten Pädagogen der Haigerer Johann-Textor-Schule haben ihre Schüler bestens auf den vor ihnen liegenden Weg vorbereitet. Wie immer dieser auch verlaufen wird.
Als absolutes "Novum" bezeichnete Direktor Dr. Gerald Lohwasser die Verabschiedung der diesjährigen Abgangsschüler. Denn am Donnerstagabend gab es aus Platzgründen gleich zwei aufeinander folgende "Entlassfeiern" in der Stadthalle, die in den vergangenen Jahren ohnehin ihre Kapazitätsgrenze erreicht hatte. Da in diesem Jahr einmalig auch zwei G8-Klassen verabschiedet wurden - in Haiger wird im Gymnasialzweig konsequent G9 angeboten -, habe man dem Wunsch der Schülervertretung nach zwei Feierstunden entsprochen, sagte der Direktor. Die Schule sagte insgesamt 232 jungen Menschen "adieu".
In seiner Rede befasste sich der Schulleiter - anlässlich der von vielen erreichten "Mittleren Reife" - mit dem Begriff "Reife". Ein reifer Mensch müsse sich mit seinen "Rucksackthemen" (Schwächen, Blockaden und Problemen) auseinandersetzen. "Menschliche Reife zeigt sich darin, seine eigenen Stärken und Schwächen real einschätzen und eventuell Negatives abmildern zu können", sagte Dr. Lohwasser. Reife zeige sich im Umgang mit Menschen und Dingen. Kein reifer Mensch sei abwertend oder zerstörend in seinem Verhalten. Reife bedeute Kreativität. Kreativität sei nicht nur etwas Künstlerisches, sondern bedeute auch, mal neue Wege zu entdecken und zu gehen. Lohwasser: "Ein reifer Mensch stellt sich den Aufgaben des Lebens und ist bereit, die Fragen des Lebens zu beantworten."
Hartmut Jaeger, Vorsitzender des Schulelternbeirates, hatte seine Rede in drei Bereiche gegliedert. Anhand des Lebens von Berta und Carl Benz machte er klar, wie wichtig formulierte Ziele auch in Krisenzeiten sind. Carl Benz hatte vor 125 Jahren das Automobil erfunden. "Er hatte eine Vision! Und wenn er am Ende war, hat ihn seine Frau ermutigt, weiterzumachen", sagte Jaeger und appellierte: "Habt Träume und Ziele!" Wie wichtig Ehrlichkeit auch im Berufsleben ist, machte er am Beispiel von OBI-Gründer Manfred Maus fest. Wenn der nicht weiterwisse, helfe ihm der Tipp seiner Großmutter: "Sag einfach die Wahrheit!" "Seid ehrlich und zuverlässig", rief Jaeger den jungen Leuten zu und riet ihnen weiter, Gott und seine Gebote ernst zu nehmen: "Der Mensch denkt, doch Gott lenkt!"
Am Donnerstag beendeten 232 Schüler ihre "Karriere" an der "JTS". Von den 39 Hauptschülern schafften 24 den qualifizierten Abschluss. 76 Realschüler wurden entlassen. 42 Teenager hatten die G8-Klassen geschafft, 70 Schüler absolvierten den regulären Gymnasialzweig. Der Trend, weiterführende Schulen zu besuchen, verstärke sich weiterhin, sagte Direktor Lohwasser. Von den 232 Schülern haben 49 nach einer erfolgreichen Bewerbung einen Ausbildungsplatz gefunden. Mit dem "Traumschnitt" von 1,0 beendete Chantal Enners als Jahrgangsbeste der G8-Klassen bravourös ihre Zeit an der Textorschule. Knapp war das Ergebnis bei den Hauptschülern. Hier entschied die zweite Stelle hinterm Komma zwischen drei Anwärtern für den Jahrgangsbesten. Oguzhan Bozan konnte letztendlich mit einer 2,15 diese Auszeichnung mit nach Hause nehmen. Ebenfalls den Superschnitt von 1,0 schaffte Madeleine Kraus aus der 10G2 als Jahrgangsbeste der G9er-Klassen. Bei den Realschülern schaffte Esther Janek aus der 10R3 mit einer 1,1 ein tolles Ergebnis.
Während der Abschlussfeier der neunten Klassen (zwei Hauptschul- und zwei G8-Klassen) führten Micha Kaiser und Sven Minner durch das Programm. Hierbei brachten sie auch aktuelle Songs wie "I need a Dollar" oder "Lass die Leute reden", die sie mit Flügel und Schlagzeug peppig umsetzten, zu Gehör. Großen Applaus, stehende Ovationen und viel Gelächter erntete das Lehrer-Jahrgangsteam für seinen Liedvortrag. Silvia Engelhardt, Wolfgang Bockheim, Jochen Gersdorf und Ralf Kaczerowski hatten sich mit Matthias Deffner stimmliche Verstärkung ins Boot geholt und lieferten mit Hildegard Knefs Klassiker "Für Dich soll's Rote Rosen regnen" einen Höhepunkt des Abends. Aber auch die Schüler gefielen mit ihren Beiträgen. Linkin Parks "Numb", vorgetragen von der 9G2, gefiel ebenso wie der in der Schule fast legendäre Hit "Lemon Tree", den die 10R1 beitrug. Auch "Danke" von den "Fantastischen Vier" (10R3) und "We are the world" (10G3) ernteten viel Applaus.
Schulsprecherin Hanna Berkemer gab ihren Alterskameraden ein 70 Jahre altes so genanntes "Gelassenheitsgebet" mit auf den Weg: "Der Herr gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden." Nach vielen Höhen und Tiefen in der Schullaufbahn gingen die "Abgänger" mit einem lachenden und einem weinenden Auge den Weg ins Leben, meinte die Schulsprecherin.
Der Wahlpflicht-Kurs "Theater" führte unter der Leitung von Martina Langenbach Sketche auf. Auf ganz neue Weise brachten die Schüler der Hauptschulklassen Goethes"Zauberlehrling" zur Vorführung. Der Song "Goodbye" - jeweils am Ende der Veranstaltung von 9G1 und 10G1 gesungen - war ein passender Abschluss. Unter der Leitung des Musiklehrers Armin Müller kam bei den Singenden etwas Wehmut auf, wenn sie - in Abänderung des Songs "Hollywood Hills" von Sunrise Avenue - sangen: "Goodbye JTS, I'm gonna miss you, where ever I go. I'm gonna come back to walk these streets again. Remember that we had fun together ..." (übersetzt etwa: "Mach's gut, JTS. Ich werde Dich vermissen, wohin ich auch gehe. Ich werde zurückkommen und mich daran erinnern, dass wir Spaß zusammen hatten).
(Mit freundlicher Genehmigung des Haigerer Kuriers, Text und Fotos: Ute Jung.)