Haiger, 01.03.2014
Wer fleißige Handwerker sehen möchte, der wird im Kindergarten "Klingelwiese" fündig. Vier Schüler und eine Schülerin der Johann-Textor-Schule (JTS) und der Schule am Budenberg waren dort gemeinsam mit Malermeister Günter Schmidt aktiv, um die Räume farblich zu verschönern.
Schmidt ist zudem als pädagogischer Mitarbeiter der Caritas Lahn-Dill-Eder in der Ausbildung junger Menschen tätig. Die Gruppe trifft sich zunächst zur Besprechung - Theorie und Anweisungen sind angesagt. "Die Schüler sind verpflichtet, ein Berichtsheft zu führen", erklärt der Malermeister, der sich ehrenamtlich für die Schule engagiert.
Bevor die eigentliche Arbeit beginnt, erklärt er die einzelnen Arbeitsschritte. Danach wissen die Neuntklässler genau, was sie zu tun haben. "Abdecken und abkleben", sagen sie und beginnen sofort mit der Arbeit. Der Kindergarten ist schließlich nicht die erste "Baustelle" der Schüler. Danach folgen die Malerarbeiten. Wenn die Jungen und Mädchen fertig sind, hinterlassen sie saubere und freundlich gestaltete Zimmer - ganz wie die Profis.
Lange Zeit werkelten die Schüler des Projektunterrichts im Obergeschoss des Hauptschulgebäudes. Hier gab es alle Hände voll zu tun für die unterschiedlichen Gewerke. Die Räume waren "in die Jahre gekommen" und so sanierten die "Textorianer" die Fläche von 190 Quadratmetern von Grund auf, waren beim Verputzen, Leitungen verlegen, Tapezieren und Streichen aktiv. Doch nachdem die JTS im letzten Jahr umfangreiche Baumaßnahmen durchführen wollte, mussten die Arbeiten wegen des Brandschutzes abgebrochen werden. So wurde das Arbeitsfeld in die Turnhalle der Budenbergschule verlegt. Auch hier gab es genug zu tun. Allerdings: Baumaßnahmen in der Turnhalle ließen auch diese Arbeit zu einem vorzeitigen Ende kommen.
Hauptschullehrer Alexander Schüler, der das Projekt gemeinsam mit Pia Franz, Angestellte der Schule am Budenberg, betreut, schaute als Vater von zwei Kleinkindern ohnehin häufig im Kindergarten vorbei. Ein Gespräch mit der Leiterin der Einrichtung, Carmen Schneider, zeigte ein neues Betätigungsfeld auf. "Wir wünschen uns mehr Anfragen von sozialen Einrichtungen", erklärt Schüler. So könnten die Jugendlichen etwas fürs Leben lernen und gleichzeitig eine wertvolle soziale Arbeit unterstützen.
Der Hauptschullehrer würde gerne das Erlernen von beruflichen Fähigkeiten auf das achte Schuljahr ausweiten und hat bereits die Gründung einer Schülerfirma angedacht. Gemeinsam mit Kollegen entwickelte er im Jahr 2009 das Projekt "Schule und Beruf", mit dem seither aktive und ehemalige heimische Unternehmer, Handwerker und Handwerksmeister ehrenamtlich an die Johann-Textor-Schule geholt werden.
Im Rahmen des Wahlpflichtunterrichts und der Arbeitslehre im neunten Schuljahr wird montags die Lehreinrichtung für vier Stunden zum Arbeitsplatz. Orientieren können sich die Jugendlichen in verschiedenen Bereichen wie etwa Hoch- und Tiefbau, Elektronik, Garten- und Landschaftsbau, Schreinern, Kochen, Frisieren. Von den Spezialisten lernen die Schüler der Hauptschulklassen und mit Beginn des laufenden Schuljahres auch ihre Alterskameraden aus der Budenbergschule eine Menge über handwerkliche Berufe, arbeiten ganz praktisch mit den Profis zusammen, knüpfen erste berufsbezogene Kontakte und bekommen - wenn alles wunschgemäß funktioniert - nach Schulabschluss eine Lehrstelle.
Die Resonanz auf das Projekt ist sehr positiv. Im Jahr 2012 würdigte der Arbeitgeberverband Mittelhessen die Idee mit dem zweiten Preis im neu geschaffenen Wettbewerb "Das spezielle Projekt". Auch die Zahl der Hauptschüler, die nach Schulabschluss eine Lehrstelle finden, hat sich seit Projekteinführung an der Johann-Textor-Schule vervielfacht. "Viele der ehemaligen Schüler warten mit hervorragenden Leistungen in ihren Ausbildungsbetrieben auf", berichtet Lehrer Schüler stolz.
(Mit freundlicher Genehmigung des Haigerer Kuriers, Text und Foto: Ute Jung.)