Haiger, 05.06.2014.
"Für eine bessere Zukunft muss man die Vergangenheit kennen", diese Erkenntnis gewann die Klasse 10G1 der Haigerer Johann-Textor-Schule bei einem Besuch des Konzentrationslagers Buchenwald.
Das Lager wurde im Juli 1937 auf dem Ettersberg bei Weimar errichtet. Es diente den Nationalsozialisten zum "Unschädlichmachen und Beseitigen sämtlicher Gegner der nationalsozialistischen Ideologie". Historiker gehen davon aus, dass etwa 250.000 Menschen aus allen Ländern Europas dort inhaftiert waren. Die Zahl der Todesopfer wird auf etwa 56.000 geschätzt, 11.800 davon waren Juden.
Die Gymnasialschüler Paulina, Jennica, Magdalena und Jan-Willem haben nach dem Besuch des KZs ihre Eindrücke in einem Zeitungsartikel zusammengefasst, den wir gerne veröffentlichen:
"Seien wir ehrlich, die meisten Leser sind mit ihren Gedanken schon bei den Todesanzeigen oder der nicht-funktionierenden Spülmaschine. Aber nehmen Sie sich doch einmal zwei Minuten Zeit und machen mit uns ein kleines Gedankenexperiment.
Wir befinden uns im Jahr 1943. Sie haben bei einer öffentlichen Versammlung Kritik am Führer geäußert. Nun sitzen sie im Transport nach Buchenwald eingepfercht zwischen Hunderten von Menschen. Es gibt keine Toilette, die Fenster dürfen nicht geöffnet werden. Es stinkt fürchterlich. Der Zug hält kurz vor Weimar. Plötzlich gehen die Türen auf, alle werden angeschrien, sich zu beeilen, den Weg hinaufzurennen. Um Sie herum stehen Soldaten, beschimpfen und bespucken Sie. Es gibt keine Fluchtmöglichkeit. Sie versuchen nur noch sich zu beeilen, um möglichst wenige Schläge abzubekommen.
Sie rennen durch ein großes Tor auf einen riesigen Platz. Ein Soldat schreit Sie an, sich in eine Reihe zu stellen und sich eine Nummer abzuholen. Für ihren Namen interessiert sich niemand mehr, Sie sind nur noch eine Zahl. Sie müssen sich nackt ausziehen, andere Häftlinge scheren Sie kahl und Sie werden durch die rostigen Schermaschinen am ganzen Körper verletzt. Dann müssen Sie in eine Desinfektionslauge steigen, es brennt fürchterlich. Alle werden in dieselben Klamotten gesteckt, nur die verschiedenen Winkel unterscheiden die Stände.
Von nun an haben Sie einen geregelten Tagesablauf. Wie eine Maschine. Wenig Essen, jeden Tag 10 bis 18 Stunden Arbeit. Nachts quetscht man sich zu zehnt in ein Bett in den dreckigen und kalten Baracken. Viele Mitgefangene erkälten sich oder brechen auf dem Feld zusammen. Weitere werden jeden Tag wegen Verstößen gegen die unzähligen Regeln gehängt. Eines Tages werden Sie ins Krematorium abkommandiert. Sie sind nun zuständig für die Verbrennung sämtlicher Leichen. Nach Monaten wissen Sie nicht mehr, wer Sie einmal waren. Der Wunsch nach Selbstmord wird von Tag zu Tag größer.
Halten Sie dieses Gefühl fest, denn genau das ist es, was in Buchenwald vermittelt werden soll. Damit allen klar wird, dass so etwas in Zukunft um jeden Preis verhindert werden muss. Wir haben zwar keine Schuld, aber wir sind für die Zukunft verantwortlich.
Eins muss noch gesagt werden. Vielen Dank an alle Lehrer, die versuchen, uns die Geschichte näherzubringen, auch wenn wir oft mit den Gedanken woanders sind. Dieser 'Ausflug' nach Buchenwald hat uns wirklich etwas gebracht."
(Mit freundlicher Genehmigung des Haigerer Kuriers, Text: fra.)